Veyrat - Veyrier-le-Lac F

Ein Feuerwerk im Gaumen

Eine großartige Küche besonderer Art bietet die L'Auberge de l'Eridan in Veyrier-du-Lac am Lac d'Annecy. Marc Veyrat zieht alle Register, die ihm die Natur in den Savoyer Alpen so anbietet. Mit unglaublich einfallsreichen Gerichten läßt er ein Feuerwerk von saveurs und parfums in Ihrem Gaumen explodieren. Weiß Gott nicht für alle Tage, aber für Gastro-Neugierige gehört er auf die Pendenzenliste.
24.06.2001



Veyrat Marc

Gigantischer Schabernack – gewaltige Zumutung

Juni 2006 Pfingstreise 2006.
Zusammen mit unserem Freund Karl sind wir nach ein paar Jahren wieder einmal bei Veyrat, über den sich die verschiedenen gastronomischen Beurteilungen unterschiedlich entwickelt haben. Die Erwartungen sind hochgespannt, schließlich hat man Veyrat in bester Erinnerung. Doch nach diesem Besuch in der Auberge de l' Eridan, die nun – dem Vernehmen nach nach einem Konkurs – La Maison de Marc Veyrat heißt, muß man sich leider in die Schar der negativen Kommentatoren einreihen. Franchement dit: das ist nun wirklich nur noch Nepp, gastronomisches Allotria und Abzockerei. Wir waren uns bewußt, daß es teuer werden würde. Doch für das, was uns da geboten wurde, gibt es nur noch eine Bewertung: der reine Abriß. Natürlich gab es etwa zwanzig verschiedene saveurs aber viel mehr als eine Serie von amuse-bouches war das nicht. Veyrat macht nun auf <Ferran Andrià vom "El Bulli">, wobei man sich sogar fragen darf, ob es Juan Amador in Langen/BRD, den wir zusammen Ende November 2005 getestet hatten, nicht fast besser hinbekommt.
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Der Abend begann mit einem großen, ältlichen, eher häßlichen Glas auf einer Maler-Palette, darin ein Sieb mit frischen Kräutern, auf der Palette ein völlig verwaschenes Cola-Fläschchen mit einer gelblich-grünlichen Flüssigkeit. Der Service instruiert dich, man habe nun die Flüssigkeit über die Kräuter zu gießen und dann genüßlich zu trinken. Selbst einem erfahrenen und somit auf Bitterliches trainierten Absinthe-Genießer hat dieser erste Gang für längere Zeit la gueule boisée hinterlassen.
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Les petits pois reconstitués: Eine nichtssagende Mousse aus Erbschen, geformt wie Erbsen-Kügelchen mit etwas Milchschaum überzogen, serviert in einer Büchse mit Veyrat-Bild auf dem Deckel; nicht einmal unser Hund muß sein Futter aus der Büchse fressen ...
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In diese Serenade von gastronomischem Sauglattismus gehörte auch der Gang, der sich Oeufs de caille au caramel clair, polypode, cornet d'oxalis nannte. Ein viel zu saurer und unzulässig bitterlicher grüner coulis, an dem wohl nicht nur der Sauerklee (oxalis) mitwirkte, erstickte alles. Da half auch der teure Dreieck-Teller und der Gewöhnliche Tüpfelfarn (Polypodium vulgare), der in älterem Deutsch auch Engelsüß heißt, nichts mehr. Schade um so etwas Herrliches wie exakt pochierte, frische Wachteleier.
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Der einzige Gang, der nach "Essen" aussah, war ein plat mit drei ungewürzten, sehr unpräzise gebratenen côtelettes d'agneau. Jedes glatte Beizli in der Provence macht Lamm viermal besser.
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Dafür gab es vorher les spaghetti ni oeuf, ni farine; sag' mir mal einer, wie man Teigwaren ohne Mehl und ohne Eier machen kann – ohne Eier geht ja noch, doch ohne Mehl .... der pure Quatsch. Die "pflaatschige" Konsistenz der grünlichen Würmer, die nach wenig, dafür ziemlich ähnlich wie die rekonstituierten Erbschen schmeckten, waren umfassende Bestätigung dafür.
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... und für ein Kartoffelpüree mit zerlaufender Schokolade darauf muß man wahrlich nicht an den Lac d'Annecy fahren. (Es sind keine Trüffelscheiben, es sind wirklich Schoggi-Plätzli!)
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Damit deine Geschmacksknospen unterwegs nicht jedes Ungenügen erschmecken, bekommst du – vom grand-maître höchstpersönlich zubereitet – eine in Farbe und Form an Sprünglis Luxemburgerli erinnernde Kugel serviert, die aus einer Art Kisag-Bläser auf einen Löffel geschäumt und anschließend in flüssigem Stickstoff "gebacken" wird. Warnung: Paß' verdammt gut auf, sonst hast du die minus 160° Celsius an deinen Schaufeln oder sie reißen dir Haut-Plätzchen in deiner Mundhöhle weg. Für die nächste Viertelstunde ist dein Gaumen auf jeden Fall anästhesiert. (Und ich muß nun hoffen, daß mich die Firma Sprüngli nicht mit einer Strafklage überzieht – aber wirklich: mein Vergleich hat nur Form und Farbe im Visier, alles andere von Veyrat ist die glatte Beleidigung für Sprünglis Luxemburgerli.)
Dreifache Zumutung Einzelne Elemente, wie beispielsweise der Féra des Lacs Alpins oder die Ostie virtuelle du XXIème siècle, jus de cannette, sorbet safrané , waren von hervorragender degustativer Qualität. Ebenso fand sich auf dem Käsewagen nur das Allerbeste, das Savoyen zu bietet hat – und es ist quantitativ wie qualitativ sehr viel.

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Aber dennoch blieb das Ganze eine gastronomische Zumutung.
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Die GaultMillau-Benotung von 20/20 ist erst recht eine Zumutung.
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Und die Guide Michelin-Benotung mit *** ist keinen Deut besser und einfach ebenfalls eine Zumutung.
Mehr Mut
In solchen Fällen fordere ich von den Berufsdegustatoren dieser Guides mehr Mut; manchmal muß auch ein Denkmal einfach gestürzt werden.
   
   
Nachtrag per Ende 2003 Der GaultMillau hat im 2003 sein heiliges Prinzip "20/20 Punkte kann es nie geben, das wäre die absolute Perfektion" aufgegeben und Marc Veyrat tatsächlich als erstem Koch die Höchstnote 20/20 zugesprochen.
Erster Eintrag 24.06.2001
   
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