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Cuisinier à Tournus

La cuisine traditionelle

"Jean Ducloux, Cuisinier à Tournus"

– bescheiden und anspruchsvoll zugleich ist dieser Buchtitel.

Doch dieser Buchtitel vermittelt weder ein Kokettieren mit Bescheidenheit noch die Arroganz, wie sie Bocuse schon in den 70er Jahren mit dem Schriftzug Bocuse France auf seiner Kochbluse praktizierte. Er widerspiegelt ganz einfach das bewegte und doch auf Tournus konzentrierte Leben des Autors.

Ducloux Jean

Jean Ducloux, 1920 in Tournus geboren, kam als 13-Jähriger in die Kochlehre. Er durfte bei Henri Racouchot im Restaurant Les Trois Faisans in Dijon seine Grundausbildung absolvieren. Dieses Haus gehörte in der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen zu den ersten Adressen Frankreichs. Offenbar hat sich Ducloux' Talent rasch herausgestellt, denn nach seiner Lehre durfte er bei Alexandre Dumaine im Hôtel de la Côte-d'Or in Saulieu gleich als Jungkoch weitermachen. Dumaine war in jener Zeit eine der allerersten Adressen in Frankreich.

Die weitere Karriere führte den jungen Koch in verschiedene große Häuser der 30er Jahre. Und der Gang der Weltgeschichte hat dann Jean Ducloux auch zu einer "längeren Stage" im Restaurant Chez l'armée française verholfen. 1947, kurz nach dem zweiten Weltkrieg, packte der junge Tournusien seine Chance. Er konnte in seinem Heimatstädtchen ein Lokal mieten und sich in seinem eigenen Restaurant selbständig machen. Er gab ihm den Namen Restaurant Greuze, benannt nach dem einheimischen Kunstmaler Jean-Baptiste Greuze (1725 – 1805). Das Restaurant heißt heute noch so. Jean Ducloux leitete das Haus bis ins Jahr 2003 und gab in dessen Küche auch noch selbst den Ton an. Erst mit 83 entschloß er sich zum Rücktritt.

Jean Ducloux hat französische Küchengeschichte geschrieben, indem er eben die französische Küchengeschichte wachhielt. Auf seinem Ausbildungsweg hatte er in erstklassiger Manier die cuisine traditionelle erlernt, und er hat sie solange weitergetragen, bis er selbst den Kochlöffel zurücklegte. Mehrere Gerichte werde ich stets in Erinnerung behalten. Dazu gehören Les ris de veau Grandmère Ducloux – unvergeßlich! Kalbsmilken mit Morcheln an einer üppigen Rahmsauce, mit einem schweren Wermut präzise aromatisiert; die Butter lag auch nicht im Kühlschrank. Oder der Gratin de Queues d'Écrevisses, in einer sauce Nantua von höchster Perfektion.

Ducloux Pâté en croute

Ein absoluter Höhepunkt war jeweils die Pâté en croûte Alexandre Dumaine, deren Zubereitung er wohl bei seiner ersten Stelle erlernte: eine pâté in der nichts fehlte: vom foie gras über die Trüffeln, einen ausgezeichneten Cognac, den Pistazienkernen bis zum köstlichen gelée de veau, genau richtig gewürzt und perfekt abgeschmeckt.

Im etwas unüblichen Restaurationsraum war einfach immer la fête. Dies war natürlich von Jean Ducloux geprägt. Er war nicht nur ein hervorragender Koch, er war auch eine Frohnatur, die kein Faß ausgelassen hatte, das auch noch zu öffnen war. Es gibt in und rund um Tournus, der kleinen Stadt an der Saône mit ihrer wunderbaren romanischen Kathedrale Saint-Philibert, unzählige Geschichten über Ducloux'sche Eskapaden.

Ducloux hatte offenbar ein Faible für les hélvétiques, wie er die Schweizer zu bezeichnen pflegte. Da gab es sich mehr als einmal, daß Jean Ducloux, diese großartige Küchenlegende Frankreichs, noch rasch ein Glas einschenkte, um mit seinen Schweizer Gästen über Kochen, Essen, Genießen, Festen zu quatschen. Mit besonderem Engagement rupfte er den "neuen Köchen" die Federn aus. So erklärte er uns im Mai 1987, das seien alle Zigeuner – und was würde aus jenem Dirigenten, der nur Zigeuner-Geiger im Orchestergraben habe, um Lohengrin zu geben? Seiner Ansicht nach geben die modernen Köche mit ihrer Art zu kochen alles auf, was die echte, tiefgegründete große Küche ausmacht. Jene Küche, die ihn geprägt und der er im Gegenzug zu einem vielleicht letzten Denkmal verholfen hatte.

siehe auch Rubrik Tempi passati

6. Juli 2005 RM